Von Maren Warnecke
Robert Wachowsky hat ein Laster: er besucht gerne Volksfeste. Während der Arbeitszeit. Doch sein Vorgesetzter drückt schon einmal ein Auge zu, denn Wachowsky ist Seelsorger. Für die Schausteller auf den Volksfesten rund um seine Heimatstadt Bonn.
Der Himmel ist wolkenfrei über „Pützchens Markt“ in Bonn. „Prima!“, freut sich Robert Wachowsky. Er weiß, wie wichtig trockenes Wetter für seine Schützlinge ist. Niemand geht auf die Kirmes, wenn es Bindfäden regnet. Dann bleibt die Kasse leer. Das ist ein paar Tage lang unproblematisch. Doch wenn die Kirmes-Besucher zu lange ausbleiben, kommt die Angst. Die blanke Angst. Um die eigene Existenz. Dann ist Robert Wachowsky als Seelsorger gefordert. „Ein großer Teil der Familien ist tief in der Seele fromm“, sagt der Pfarrer in Ruhestand im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele Menschen außerhalb der Schausteller-Welt mögen das nur schwer glauben. Doch das „fahrende Volk“ trotzt einem alten Vorurteil – und hält im Miteinander christliche Werte hoch: Sorgen und Nöte werden genauso geteilt wie die schönen Dinge des Alltags. Das ist der Klebstoff, der die Schausteller zusammenhält.
Hirte für Heimatlose
Dieser Zusammenhalt fällt auch beim Privatmensch Wachowsky auf fruchtbaren Boden. Der schlanke Mann mit der randlosen Brille wurde in den Wirren des Zweiten Weltkriegs geboren, sein Vater kam im Krieg um. Andere Männer kümmerten sich um ihn und seine Mutter. Aus dieser Zeit stammt der christliche Leitspruch des inzwischen Mittsiebzigers: „Was ihr getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Das ist der Humus, auf dem er groß geworden ist, aus diesem Grund ist er Pfarrer. Einer von bundesweit elf Seelsorgern der Circus- und Schaustellerseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Taufe im Mandel-Becken
Nun ist Robert Wachowskys Seelsorger-Alltag auf der Kirmes nicht nur von den Schattenseiten des Lebens ausgefüllt. Hochzeiten, Taufen, der kurze Plausch im Wohnwagen, ein gutes Wort hier, ein Segensspruch da – Beistand hat viele Gesichter. Das könnte eine feste Gemeinde gar nicht leisten, weiß er. Durch das Herumreisen fehlt den Schaustellern meist der Kontakt zur Gemeinde vor Ort. Auch logistisch tauchen Schwierigkeiten auf. Schließlich könnten zu einer Schausteller-Taufe gut und gerne 30 bis 60 Familien in der Kirche auftauchen. Das ist nicht ungewöhnlich. Wachowsky selbst braucht daher unkonventionelle Lösungen zwischen Achterbahn, Gruselkabinett und Zuckerwatte-Ständen. So wie bei der Taufe im Maximilianpark in Hamm, zu der er gerufen wurde. Ein Taufbecken gab es nicht. Eine Situation wie geschaffen für den Seelsorger und „seine“ Schausteller. Die schafften kurzerhand den Kessel heran, in dem normalerweise gebrannte Mandeln hergestellt werden. Robert Wachowsky denkt gerne an diesen fröhlichen Moment. Er weiß: „Wo Hilfe in den Lebenssorgen erfahren wird, kann man auch unbeschwert feiern.“